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Plattformen | Digitale Revolution

Wo vor zehn Jahren noch die klassischen Branchen die globale Wertschöpfung dominierten, tritt heute eine völlig neue Generation von Geschäftsmodellen auf den Plan. Noch 2008 besetzten Firmen wie Exxon (Rohstoffexploration und -handel), General Electric (Mischkonzern), und General Motors (Automobil) die Spitzenplätze der Wirtschaft. Heute haben ihnen plattformbasierte, disruptive Geschäftsmodelle den Rang abgelaufen: 70 % der zehn größten Unternehmen weltweit basieren auf Plattform-Geschäftsmodellen.

Plattformtechnologien verändern den Markt

Die fundamentale Grundlage der heutigen Macht der Plattformen ist das Internet, das die technologische Infrastruktur des gesamten weltweiten Datenaustauschs darstellt. Erst die weltweite Verfügbarkeit des Internets mit mittlerweile sehr großer Bandbreite und dem Zugang über mobile Endgeräte hat den Siegeszug der Plattformen ermöglicht. Hinzu kommt die breite Akzeptanz in unserer Gesellschaft – heute gibt es etwa genauso viele Internet-nutzende Endgeräte wie Menschen auf unserem Planeten und in vielen afrikanischen Staaten sind die Mobilfunknetze mittlerweile besser ausgebaut als in Deutschland. Dadurch ist es geschätzten 70% unserer Weltbevölkerung möglich, über das Internet übermittelte Angebote zu nutzen.

Kein Unternehmen dieser Welt kann auch nur einen Bruchteil dieser Kundenanzahl in seine physischen Geschäfte locken und kein Hersteller kann mit seinen klassischen Produktkatalogen so viele Kunden erreichen. So hat z.B. Otto Versandhaus Hamburg inzwischen seinen Katalog komplett eingestellt und bietet die Waren ausschließlich über eine digitale Plattform an.

Gleichzeitig vollzieht sich ein grundlegender demographischer Wandel. Die heutigen Kunden leben und treffen ihre Kaufentscheidungen nach völlig anderen Kriterien als die Generationen vor ihnen. Sie streben nicht mehr nach dem schnellsten und teuersten Auto, sondern eher nach dem leistungsfähigsten iPhone, während sie den jeweils benötigten „fahrbaren Untersatz“ an der nächsten Ecke für wenige Euro für einige Kilometer mieten. Warum aber sind Plattformen so disruptiv?

Die „Plattform“ ist ein neues Geschäftsmodell, das Menschen, Unternehmen und Ressourcen mittels Technologie zu einem interaktiven Ökosystem verbindet, in dem erstaunliche Mengen an Werten erzeugt und ausgetauscht werden können. Die Plattform stellt den Teilnehmern eine offene Infrastruktur für diese Transaktionen bereit und legt die Rahmenbedingungen und Regeln dafür fest. Ihr grundlegender Mechanismus besteht darin, durch Einsatz intelligenter Algorithmen Angebot und Nachfrage rasch, unkompliziert und vor allem weltweit über Länder- und Sprachgrenzen hinweg zusammenzubringen. Gegenstand der Transaktionen können dabei physische Güter, virtuelle Güter (Software), Dienstleistungen oder einfach Daten sein.

Plattformen haben einige sehr besondere Eigenschaften, die sie von anderen Geschäftsmodellen fundamental unterscheiden. Sie zeichnen sich z.B. dadurch aus, dass sie keine Investitionen in physische Assets wie Maschinen und Anlagen erfordern, sondern im Wesentlichen auf Software basieren. Daher sind sie sehr schnell zu etablieren und an veränderte Anforderungen anpassbar.

Zum anderen nutzen sie den „Netzwerk-Effekt“, d.h. je mehr Teilnehmer auf der Plattform aktiv sind, umso interessanter wird diese für alle anderen Teilnehmer. Das System befeuert sich selbst – es kann dadurch exponentiell wachsen. Ein Amazon, auf dem nur zwei Anbieter ihre Produkte feilbieten ist wenig interessant. Ein Amazon, dass aktuell mehr als 12 Mio. Produkte von 2,5 Mio. Herstellern anbietet und damit mehr als 400 Mio. Käufer erreicht ist extrem interessant sowohl für Anbieter wie auch für Kunden.

Eine weitere wesentliche Eigenschaft sind die niedrigen Transaktionskosten, die sowohl Anbietern wie auch Käufern einen signifikanten Kosten- und i.d.R. auch einen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber klassischen Transaktionen bieten. So kann z.B. ein Händler von Werkzeugen auf diese Weise nicht nur seine Kunden im näheren Umkreis ansprechen, sondern jeden Winkel dieser Welt erreichen. Wo bisher der Außendienst vielleicht 5 Kunden am Tag trifft, können über eine Plattform Tausende oder Millionen von Kunden gleichzeitig adressiert werden.

Um die durch die explosionsartige Zunahme von Plattformunternehmen ausgelösten mächtigen Kräfte besser verstehen zu können, ist es hilfreich, sich darüber Gedanken zu machen, wie Wertschöpfung und Wertübertragung in den meisten Märkten bislang stattgefunden haben. Das traditionell von den meisten Unternehmen eingesetzte System wird als „Pipeline“ bezeichnet. Im Gegensatz zu einer Plattform findet die
Wertschöpfung und Wertübertragung bei einer Pipeline Schritt für Schritt statt, wobei sich der Hersteller am Anfang und der Kunde am Ende befindet. Zunächst entwirft ein Unternehmen ein Produkt oder eine Dienstleistung. Dann wird das Produkt hergestellt und zum Kauf angeboten, oder es wird ein System eingerichtet, das die Dienstleistung bereitstellt. Schließlich erscheint ein Kunde und kauft das Produkt oder die Dienstleistung. Aufgrund der einfachen, eingleisigen Form dieses Ablaufs spricht man hier auch von
einer linearen Wertschöpfungskette.

In den letzten Jahren sind immer mehr Unternehmen von der Pipeline zur Plattform übergegangen. Bei diesem Übergang wird die lineare Pipeline-Struktur zu einer komplexen Beziehung, in der Anbieter, Kunde und die Plattform selbst in unterschiedlichen Verhältnissen zueinander stehen. Bei Plattformen gibt es verschiedene Teilnehmertypen – Anbieter, Kunden, Vermittler, Kuratoren –, die miteinander in Kontakt treten und mithilfe der von der Plattform bereitgestellten Ressourcen Interaktionen und Transaktionen durchführen. Werte bewegen sich nicht nur entlang einer geraden Linie vom Anbieter zum Kunden, sondern können auf vielfältige Weise und an verschiedenen Orten über die Plattform erzeugt, ausgetauscht und konsumiert werden.

Der eigentliche Übergang von der traditionellen linearen Wertschöpfungskette zur komplizierten Wertematrix einer Plattform mag noch einigermaßen geradlinig erscheinen – die Folgen sind jedoch atemberaubend. Die Ausbreitung des Plattformmodells in einer Branche nach der anderen verursacht eine Reihe von revolutionären Veränderungen in nahezu allen geschäftlichen Belangen. Betrachten wir also einige dieser Veränderungen einmal genauer im Kontext der internationalen Steuerberatung.

Die klassischen Mitbewerber der deutschen Steuerberater sind bei komplexen Auslandssachverhalten die großen Beratungsunternehmen (Big Four), die bei Beratungsanfragen meist versuchen, Gesamtpakete zu verkaufen und i.d.R. auch den Kontakt zum Stammhaus in Deutschland suchen. Unternehmen sind oft durchaus bereit, für die Dienstleistungen von Experten hohe Preise zu zahlen. Um sie in Anspruch nehmen zu können, müssen sie aber auch die Dienste relativ unerfahrener Mitarbeiter, die u.U. gerade ihren Universitätsabschluss erlangt haben, zu hohen Preisen miterwerben.

Zukünftig ist es für den Steuerberater möglich, unkompliziert mit Unternehmen zusammenarbeiten und die Geschäfte über eine Plattform abzuwickeln, die Verwaltungsvorgänge und einfache Büroarbeiten übernimmt, die bisher von teuren Beratungsunternehmen oder Anwaltskanzleien erledigt wurden. So könnten vorausblickende Steuerberater professionelle Dienstleistungen anbieten und den von traditionellen  Gatekeepern auferlegten Bündelungseffekt beseitigen.

Es sind heute fast immer Plattformen, die neue Standards setzen, den Takt bestimmen und da mit den Schlagzeilen dominieren. Diese neuen, expansiven Intermediäre zwischen Anbietern und Nachfragern kurbeln mit innovativen, hochskalierbaren Geschäftsmodellen das Wachstum an: Sie stoßen gewohnte Abläufe um, greifen in Austauschprozesse und Dienstleistungsketten ein und erobern sich exklusive Zugänge zu den Kunden, deren sich etablierte Anbieter eben noch sicher waren.

Laut einer Studie von McKinsey werden in 3 Jahren 30% der globalen Wirtschaftsaktivitäten über digitale Plattformen laufen. Jedoch haben heute nur 3% der etablierten Unternehmen eine effektive Plattformstrategie. Jetzt gilt das Motto „to be or not to be“. 90% der Unternehmenslenker wissen, dass ihr aktuelles Geschäftsmodell nicht für die Zukunft geeignet ist, aber die wenigsten handeln. Unternehmen können es sich heute nicht mehr leisten, keine Plattformstrategie zu haben, das wäre fahrlässig. Dies heißt nicht, dass man eine eigene Plattform entwickeln und betreiben muss, aber man muss verstehen, worin die möglichen Chancen liegen und welche Bedrohung für das eigene Geschäft bestehen. Vielfach ergeben sich große Chancen durch enge Kooperationen mit existierenden Plattformanbietern, mit denen eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit problemlos möglich ist.

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