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BsGaV | Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung

Die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung regelt aus deutscher Sicht die internationale Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.

Die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung regelt aus deutscher Sicht die internationale Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.
Durch die Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung) vom 13. Oktober 2014 wird die Gewinnermittlung in- und ausländischer Betriebsstätten auf ein neues rechtliches Fundament gestellt. Insbesondere wird durch die neue Verordnung der sog. „Authorised OECD Approach“ mit einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung in innerstaatliches Recht aufgenommen.

Wir stellen die wesentlichen Prinzipien der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung dar und geben Praxishinweise.

Erklärungen, Definitionen und Fazit zur BsGaV

Die internationale Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gehört zu den umstrittensten und schwierigsten Themengebieten des internationalen Steuerrechts. Sie gewinnt ihre besondere Schwierigkeit aus dem Gegensatz zwischen der rechtlichen Einheit des Unternehmens einerseits und der Notwendigkeit der fiktiven Verselbständigung der Betriebsstätte für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs („dealing at arm’s length“) andererseits. Des Weiteren steht die Gewinnabgrenzung im internationalen Einheitsunternehmen im Spannungsfeld zwischen den abkommensrechtlichen Vorgaben der Art. 7 OECD-MA nachgebildeten DBA-Normen und den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtsunsicherheiten und der daraus häufig resultierenden internationalen Doppelbesteuerung hat der OECD-Rat am 22.7.2010 – aufbauend auf den OECD-Betriebsstättenberichten 2008 und 2010 – eine uneingeschränkte Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung beschlossen.

Der deutsche Gesetzgeber hat diese Entwicklung zügig aufgegriffen und den von der OECD postulierten „Authorised OECD Approach“ („AOA“) mit dem AmtshilfeRLUmsG in § 1 AStG übernommen. In diesem Zusammenhang wurde in § 1 Abs. 6 AStG  n.F. das BMF mit Zustimmung des Bundesrates ermächtigt, Einzelheiten der Anwendung des AOA in einer Rechtsverordnung zu regeln. Eine solche wurde nunmehr mit der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung v. 13.10.2014 („BsGaV“) verabschiedet. Die BsGaV stellt die Gewinnermittlung bei Betriebsstätten im internationalen Kontext auf ein völlig neues Fundament, das nachfolgend in seinen wesentlichen Elementen erörtert und einer ersten kritischen Würdigung unterzogen wird.

Entsprechend den Vorgaben der OECD wird der AOA als Rahmen der Gewinnermittlung in- und ausländischer Betriebsstätten nach der BsGaV in zwei Stufen umgesetzt. Die Stufe 1 bezieht sich auf eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte als Teil der Gesamttätigkeit des Unternehmens. 

Im Zentrum steht die Bestimmung und Zuordnung der (maßgeblichen) Personalfunktionen, auf Basis derer – ebenfalls in Stufe 1 – die Vermögenswerte, Chancen und Risiken und die Geschäftsvorfälle des Unternehmens der Betriebsstätte zuzuordnen und darauf aufbauend deren Dotationskapital und Passivposten zu bestimmen sind. Dazu enthält die BsGaV detaillierte Regelungen in ihrem „allgemeinen Teil“ (§ 1-§ 15 BsGaV).

In Stufe 2 der Betriebsstättengewinnermittlung werden dann – aufbauend auf der Funktions- und Risikoanalyse – die identifizierten unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes und unter Anwendung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien bewertet und „abgerechnet“. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es vertragliche i.S.v. schuldrechtlichen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht geben kann, sondern von einer Fiktion eines Leistungsaustauschs für steuerliche Gewinnermittlungszwecke auszugehen ist („anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“ gem. § 1 Abs. 4 Nr. 2 AStG ).

Neben den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften für Betriebsstätten enthält die BsGaV detaillierte Sonderregelungen für Bankbetriebsstätten, Versicherungsbetriebsstätten, Bau- und Montagebetriebsstätten, Explorationsbetriebsstätten sowie Vertreterbetriebsstätten.

Die detaillierte Regelung der Betriebsstättengewinnermittlung ist ein begrüßenswertes Novum im deutschen Steuerrecht, werden damit doch die bisherigen Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtsgrundlagen der Betriebsstättengewinnermittlung beseitigt. Allerdings stellt die BsGaV die Betriebsstättengewinnermittlung unter Verwendung völlig neuer Begrifflichkeiten (z.B. Vermögenswerte, Personalfunktionen, maßgebliche Personalfunktionen, ausländisches Unternehmen, inländisches Unternehmen, fiktive Betriebseinnahmen, fiktive Betriebsausgaben) auf ein völlig neues Gerüst. Dies führt naturgemäß zu neuen Unsicherheiten.

Durch die Aufnahme des AOA in § 1 AStG entwickelt sich die Vorschrift zusammen mit der BsGaV zu einer die abkommensrechtliche Betriebsstättengewinnabgrenzung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA ausfüllenden Gewinnermittlungsvorschrift. Da weder § 1 AStG noch die BsGaV in ihrer Anwendung zwischen Alt- und Neu-DBA-Fällen (d.h. Art. 7 OECD-MA 2008 oder Art. 7 OECD-MA 2010) unterscheidet, gelten die neuen Regelungen auch in Alt-DBA-Fällen.
Eine Schranke ergibt sich nur aus § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG , der indessen mit weitreichenden Nachweispflichten, die in der BsGaV nicht geregelt werden, ausgestattet ist.12 Darüber hinaus sind die Regelungen auch in Nicht-DBA-Fällen anzuwenden. Ferner wird die BsGaV auch im Hinblick auf die Ermittlung des für gewerbesteuerliche Zwecke zu kürzenden Gewinns ausländischer Betriebsstätten nach § 9 Nr. 3 GewStG Anwendung finden.

Durch die BsGaV ist die bisher – mangels eindeutiger Rechtsgrundlagen – auf dem allgemeinen Veranlassungsprinzip aufbauende Betriebsstättengewinnermittlung überholt. Denn die BsGaV regelt nunmehr ein eigenes Gewinnermittlungsrecht für Betriebsstätten, das über den eigentlichen (bisherigen) Sinn und Zweck des § 1 AStG als Einkünftekorrekturvorschrift hinausgeht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Regelungen der BsGaV unmittelbare Folgen auch für die unternehmerische „Gesamtbilanz“ haben. Wird z.B. ein Wirtschaftsgut in eine inländische Betriebsstätte eines beschränkt steuerpflichtigen, im Ausland ansässigen Unternehmers übertragen, sind auf den fiktiven Anschaffungspreis des Wirtschaftsguts in der inländischen Betriebsstätte die allgemeinen Abschreibungsregeln der §§ 7 ff. EStG anzuwenden.

Dies macht deutlich, dass die Regelungen der BsGaV nicht nur alleine in einer Hilfs- und Nebenrechnung, sondern praktisch gesprochen in einer eigenen Buchführung der Betriebsstätte umgesetzt werden können. In der Praxis wird man daher vermutlich nicht umhinkommen, für die Betriebsstätte einen eigenen Buchführungskreis zu bilden, um sie gegenüber ihrem Stammhaus wie ein eigenes, selbständiges Unternehmen auch buchhalterisch erfassen zu können.

Gemäß § 3 BsGaV ist das Ergebnis einer Betriebsstätte mittels einer sog. Hilfs- und Nebenrechnung zu ermitteln. Dazu ist gem. § 3 Abs. 1 BsGaV „zum Beginn eines Wirtschaftsjahres eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen, während des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahres abzuschließen.“ Dies gilt gem. § 3 Abs. 5 BsGaV nicht für Betriebsstätten eines Unternehmens, das weder nach inländischem noch nach ausländischem Recht buchführungspflichtig ist und das tatsächlich keine Bücher führt (z.B. Freiberufler). In diesem Fall ist das Ergebnis der Betriebsstätte anhand einer Einnahmenüberschussrechnung i.S.d. § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln.

Die Hilfs- und Nebenrechnung beinhaltet gem. § 3 Abs. 2 BsGaV alle Bestandteile, die der Betriebsstätte aufgrund ihrer Personalfunktionen zuzuordnen sind. Allerdings gilt dies für Vermögenswerte nur, wenn sie von einem rechtlich selbständigen Unternehmen in der steuerlichen Gewinnermittlung erfasst würden. Die Einschränkung betrifft damit u.a. die Bilanzierungsverbote des § 5 Abs. 2–5 EStG. Beispielsweise können immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aufgrund des Bilanzierungsverbots des § 5 Abs. 2 EStG in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte nur erfasst werden, wenn diese entgeltlich erworben wurden. Als entgeltlicher Erwerb gilt dabei nach der Begründung zur BsGaV auch eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung. Insoweit wird die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte letztlich auch für bilanzielle Zwecke konsequent umgesetzt.

Neben Vermögenswerten beinhaltet die Hilfs- und Nebenrechnung über die Betriebsstätte gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2–4 BsGaV ein Dotationskapital, übrige Passivposten, die damit zusammenhängenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben sowie gem. § 3 Abs. 2 Satz 3 BsGaV die fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG . Nach der Verordnungsbegründung ist die Hilfs- und Nebenrechnung nach inländischen Bilanzregeln laufend fortzuschreiben.

Faktisch führt die BsGaV eine eigene Gewinnermittlungspflicht für in- und ausländische Betriebsstätten ein, die im Grunde der eines rechtlich selbständigen Unternehmens entspricht. Eine solche Buchführungspflicht kann allerdings nicht im Rahmen einer Rechtsverordnung zur Einkünftekorrektur geregelt werden, sondern müsste sich aus §§ 140 ff. AO ergeben. So ist zumindest fraglich, ob die Vorgaben der BsGaV zur Gewinnermittlung der Betriebsstätte durch § 1 Abs. 6 AStG gedeckt sind.

Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BsGaV sind der Betriebsstätte ausgehend von der Funktions- und Risikoanalyse Personalfunktionen zuzuordnen. Der Begriff der Personalfunktion ist dabei von zentraler Bedeutung für die Betriebsstättengewinnermittlung nach der BsGaV, entscheidet er doch darüber, welche Vermögenswerte, Chancen und Risiken, welches Dotationskapital, welche Passivposten und welche Geschäftsvorfälle der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die Veränderung von Personalfunktionen im internationalen Einheitsunternehmen kann daher – neben Funktionsverlagerungen – z.B. die Überführung von Vermögenswerten (z.B. immaterielle Wirtschaftsgüter und Geschäftschancen) verbunden mit entsprechenden Gewinnrealisierungen nach sich ziehen. Darauf ist in der Praxis ein ganz besonderes Augenmerk zu richten.

§ 2 Abs. 3 Satz 1 BsGaV definiert eine Personalfunktion als „eine Geschäftstätigkeit, die von eigenem Personal des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird.“ Diese Definition der Personalfunktion ist insoweit unbefriedigend, als sie den unbestimmten Rechtsbegriff „Personalfunktion“ durch einen anderen unbestimmten Begriff „Geschäftstätigkeit“ erläutert. § 2 Abs. 3 Satz 2 BsGaV enthält zwar eine beispielhafte Aufzählung von Geschäftstätigkeiten, die jedoch nicht abschließend ist. Dazu gehören die Nutzung, die Anschaffung, die Herstellung, die Verwaltung, die Veräußerung, die Weiterentwicklung, der Schutz, die Risikosteuerung und die Entscheidung, Änderungen hinsichtlich von Chancen und Risiken vorzunehmen.

Auch der Rückgriff auf die Funktionsverlagerungsverordnung („FVerlV“) hilft hinsichtlich der Definition nur bedingt weiter. § 1 Abs. 1 FVerlV beschreibt eine Funktion als eine Geschäftstätigkeit, „die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden.“ Was konkret eine Geschäftstätigkeit ausmacht, lässt jedoch auch die FVerlV offen. Die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung enthalten in Tz. 2.1.1 Abs. 3 auch nur eine beispielhafte Aufzählung.
Danach kommen als Funktionen Geschäftstätigkeiten in Betracht, die „zur Geschäftsleitung, Forschung und Entwicklung, Materialbeschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Verpackung, Vertrieb, Montage, Bearbeitung oder Veredelung von Produkten, Qualitätskontrolle, Finanzierung, Transport, Organisation, Verwaltung, Marketing, Kundendienst usw. gehören.“ Im Gegensatz zu einer Funktion muss es sich jedoch bei einer Geschäftstätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 3 BsGaV nicht zwangsläufig um eine Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben handeln, so dass auch einzelne betriebliche Aufgaben – wie die Nutzung eines Vermögenswerts – eine Geschäftstätigkeit und damit eine Personalfunktion i.S.d. des § 2 Abs. 3 BsGaV darstellen können.

Ferner muss es sich im Hinblick auf den Reglungszweck der BsGaV bei einer Geschäftstätigkeit nicht um eine erwerbsmäßige Tätigkeit handeln, die Markt- und Gewinnpotentiale schafft, wie dies bei einer Funktionsverlagerungsbesteuerung der Fall ist. Denn einer Geschäftstätigkeit i.S.d. der BsGaV müssen nicht direkt Gewinne zugeordnet werden können. Dementsprechend können auch reine Hilfstätigkeiten eine Geschäftstätigkeit i.S.d. der BsGaV darstellen. Für dieses Verständnis spricht auch § 2 Abs. 5 BsGaV, wonach Personalfunktionen auch lediglich unterstützenden Charakter haben können.

§ 4 BsGaV regelt die Zuordnung von Personalfunktionen. Die Vorschrift hat folglich eine zentrale Bedeutung, entscheidet sie doch darüber, welchem Unternehmerteil materielle Wirtschaftsgüter, immaterielle Werte, Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnliche Vermögenswerte, sonstige Vermögenswerte sowie Geschäftsvorfälle zuzuordnen sind.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BsGaV kommt es für die Zuordnung der Personalfunktion auf den Ort der Ausübung der Personalfunktion an. § 4 BsGaV regelt damit die in § 1 Abs. 5 AStG offene Frage nach dem maßgeblichen Zuordnungskriterium von Personalfunktionen. Der Verordnungsbegründung ist insoweit zuzustimmen, als mit dem örtlichen Bezug ein relativ einfaches Zuordnungskriterium für Personalfunktionen festgelegt wurde. Dabei kann eine Personalfunktion sowohl vom Stammhaus als auch von der Betriebsstätte ausgeübt werden, was dazu führen kann, dass sowohl dem Stammhaus als auch der Betriebsstätte die gleichen Personalfunktionen zuzuordnen sind. Für die Möglichkeit der Ausübung von Personalfunktionen durch das Stammhaus als auch von der Betriebsstätte oder von verschiedenen Betriebsstätten desselben Stammhauses spricht auch § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV, der explizit eine anteilige Zuordnung von immateriellen Werten zulässt.
Eine anteilige Zuordnung von immateriellen Werten kann – entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung – nur erfolgen, wenn sowohl vom Stammhaus als auch von der Betriebsstätte die gleiche Personalfunktion ausgeübt wird.

Beispiel: Die in Deutschland ansässige Autoglas-GmbH produziert Windschutzscheiben. Im Ausland unterhält sie eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 OECD-MA. Um die Stoßfestigkeit der produzierten Scheiben zu verbessern, soll ein neues Fertigungsverfahren entwickelt werden. Die Entwicklung dieses Verfahrens soll durch erfahrene Mitarbeiter der F&E-Abteilung erfolgen, die vollständig in der ausländischen Betriebsstätte angesiedelt sind. Das Entwicklungsteam wird durch einen Abteilungsleiter in der Betriebsstätte geführt, wobei die Gesamtverantwortung für F&E bei dem deutschen Geschäftsführer der Autoglas-GmbH liegt.

Lösung: Im vorliegenden Beispiel wird die Personalfunktion „F&E“ sowohl von der ausländischen Betriebsstätte (Mitarbeiter der F&E-Abteilung und Abteilungsleiter) als auch vom Stammhaus (Geschäftsführer) der Autoglas-GmbH ausgeführt. Die Personalfunktion kann damit der ausländischen Betriebsstätte sowie dem Stammhaus der Autoglas-GmbH zugeordnet werden.

Nach der Verordnungsbegründung kommt es für die Zuordnung einer Personalfunktion auf die Dauer der Ausübung grundsätzlich nicht an. Die Zuordnungsregel des § 4 Abs. 1 Satz 1 BsGaV erfährt jedoch insoweit eine Einschränkung, als eine Personalfunktion einer Betriebsstätte nicht zugeordnet kann, wenn diese

  1. keinen sachlichen Bezug zur Betriebsstätte aufweist und
  2. an weniger als 30 Tagen innerhalb eines Wirtschaftsjahrs in dieser Betriebsstätte ausgeübt wird.

In diesem Zusammenhang ist positiv hervorzuheben, dass die feste 30-Tage-Regel Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen schafft. Allerdings sollte sich die Regel nicht auf ein Wirtschaftsjahr beziehen. Denn auch wenn eine Funktion zukünftig auf Dauer durch eigenes Personal der ausländischen Betriebsstätte ausgeübt werden soll, verhindert dies zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahrs eine entsprechende Zuordnung. Deswegen sollte aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten eine Prognose über den Zeitraum der Ausübung der Personalfunktion zugelassen werden, so dass eine Zuordnung von Personalfunktionen auch am Ende eines Wirtschaftsjahres möglich ist. Nur so kann der Periodenerfolg des Stammhauses und der Betriebsstätte i.S.d. BsGaV richtig ermittelt werden.

Wer zum „eigenen Personal“ des Unternehmens gehört wird in § 2 Abs. 4 BsGaV erläutert. Während im Entwurf der BsGaV vom 5.8.2013 eigenes Personal als natürliche Personen, „die aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung mit dem Unternehmen für das Unternehmen tätig werden“, definiert wurde, sieht der neue § 2 Abs. 4 BsGaV eine umfangreichere Definition vor: Es wird nicht nur auf arbeitsvertragliche, sondern auch auf gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen mit dem Unternehmen abgestellt.

Dies führt z.B. dazu, dass auch Unternehmer oder Gesellschafter zum eigenen Personal des Unternehmens zählen, wenn sie für das Unternehmen tätig werden. Zudem soll auch von einem anderen Unternehmen überlassenes Personal als eigenes Personal des Unternehmens angesehen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass das Personal auf Weisung des anderen Unternehmens im Rahmen der arbeitsvertraglichen Pflichten für das Unternehmen tätig wird und sich die Verpflichtung des anderen Unternehmens auf die Überlassung des Personals beschränkt. Das Unternehmen hat in diesen Fällen nur die Arbeitskraft durch die Einschaltung des anderen Unternehmens beschafft, anstatt selbst eine arbeitsvertragliche Vereinbarung mit den Personen abzuschließen. Gemeint ist damit wohl die Leiharbeit.

Ausgehend von den der Betriebsstätte zugeordneten Personalfunktionen sind der Betriebsstätte gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV Vermögenswerte zuzuordnen. § 2 Abs. 6 Satz 1 BsGaV definiert Vermögenswerte als Wirtschaftsgüter und Vorteile. Dazu gehören gem. § 2 Abs. 6 Satz 2 BsGaV insbesondere materielle Wirtschaftsgüter, immaterielle Werte einschließlich immaterielle Wirtschaftsgüter – wobei die Unterscheidung zwischen immateriellen Werten und immateriellen Wirtschaftsgütern nicht verständlich ist –, Beteiligungen und Finanzanlagen.

Für die Definition von Vermögenswerten soll es nach der Verordnungsbegründung weder auf nationale noch internationale Bilanzierungsstandards ankommen. Auch die tatsächliche Bilanzierung und Bilanzierbarkeit von Wirtschaftsgütern soll für Zwecke der Betriebsstättengewinnaufteilung nicht relevant sein. Es ist damit unklar, was konkret unter dem Begriff „Vermögenswert“ i.S.d. BsGaV zu verstehen ist. Die Verordnungsbegründung enthält nur weitere Anhaltspunkte. Danach stellen auch selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter die aufgrund des § 5 Abs. 2 EStG nicht bilanziert werden dürfen, Vermögenswerte i.S.d. BsGaV dar. Auch die nach § 248 HGB explizit nicht zu bilanzierenden immateriellen Vermögenswerte können nach der Verordnungsbegründung Vermögenswerte i.S.d. BsGaV darstellen.

Das eigentliche Problem liegt darin, immaterielle Vermögenswerte und insbesondere Vorteile von Chancen und Risiken abzugrenzen. Chancen und Risiken sind nach der Verordnungsbegründung nicht geeignet, Gegenstand einer Geschäftsbeziehung zu sein, sondern sind allein Ausfluss der unternehmerischen Tätigkeit, die unmittelbar oder mittelbar mit Vermögenswerten verbunden ist. Demnach muss der Vermögenswert als „eigener Wert“ abgegrenzt werden können. Zumindest stellt die Verordnungsbegründung klar, dass der Begriff „Vorteile“ dem Verständnis von Vorteilen in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG entspricht. Allerdings bleibt der Begriff „Vorteile“ auch in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG unklar. Letztlich werden unter den Begriff Vorteile zumindest auch singuläre Geschäftschancen zu subsumieren sein, d.h. die konkrete Möglichkeit, aus einzelnen bereits konkretisierten Geschäften Gewinne zu erzielen.

Mit Abstellen auf Vermögenswerte statt auf Wirtschaftsgüter wird die Betriebsstättengewinnermittlung – abweichend von den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften gem. §§ 4 ff. EStG – auf ein völlig neues Fundament gestellt. Es mag nicht überraschen, dass daraus zahlreiche grundlegende, derzeit aber völlig offene Fragen resultieren. Um nur einige zu nennen:

  • Gilt auch bei Betriebsstätten der allgemeine Grundsatz des Betriebsvermögensvergleichs (d.h. Einbeziehung von Vermögenswerten in den Betriebsvermögensvergleich)?
  • Sind die Vorschriften zur Bilanzierung dem Grunde nach (z.B. § 5 Abs. 2 EStG, § 5 Abs. 4a EStG und § 5 Abs. 5 EStG ) auch in Bezug auf anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen anzuwenden?
  • Gelten die Bewertungsregeln der §§ 6 und 7 EStG auch bei Vermögenswerten?
  • Gelten die neuen Vorschriften auch zur Bestimmung des ausländischen Betriebsstättengewinns für gewerbesteuerliche Kürzungszwecke gem. § 9 Nr. 3 GewStG (auch im Nicht-DBA-Fall)?

Zuordnung mittels der maßgeblichen Personalfunktion: Die Zuordnung von Vermögenswerten i.S.d. § 2 Abs. 6 BsGaV erfolgt für alle Wirtschaftsgüter und Vorteile nach einem im Grundsatz einheitlichen Schema. Danach sind die Vermögenswerte aufgrund der für sie maßgeblichen Personalfunktion zuzuordnen. Je nach Art des Vermögenswerts wird die für die Zuordnung maßgebliche Personalfunktion durch die Verordnung bestimmt.

Beispielsweise ist gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 BsGaV die „Nutzung“ die maßgebliche Personalfunktion für die Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern. Gleiches gilt gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 BsGaV für die Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten. Die Nutzung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten kann jedoch regelmäßig nicht aus dem unmittelbaren Gebrauch der Beteiligung abgeleitet werden.

Vielmehr geht es hier um einen funktionalen Zusammenhang, der bspw. vorliegt, wenn eine Beteiligung für die Geschäftstätigkeit einer Betriebsstätte von Nutzen ist.45 Für immaterielle Werte einschließlich immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile sowie für die sonstigen Vermögenswerte ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 BsGaV die Schaffung oder der Erwerb die für die Zuordnung grundsätzlich maßgebliche Personalfunktion.

Die Vorgabe von Personalfunktionen, die konkret für die Zuordnung von Vermögenswerten maßgeblich sind, schafft für die Steuerpflichtigen eine gewisse Rechtssicherheit. Zudem scheint die Auswahl der für die Zuordnung der Vermögenswerte maßgeblichen Personalfunktion – wenn auch willkürlich – nachvollziehbar. Die Eindeutigkeit der Zuordnungsregeln wird allerdings durch Öffnungsklauseln eingeschränkt.

Von der Zuordnung der Vermögenswerte mittels der grundsätzlich maßgeblichen Personalfunktion ist abzuweichen, wenn eine andere als die grundsätzlich maßgebliche Personalfunktion für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter und Vorteile hinsichtlich ihrer Bedeutung eindeutig überwiegt. Aus der Begründung zu § 2 Abs. 5 BsGaV ergibt sich, dass mit „Bedeutung“ in erster Linie die wirtschaftliche Bedeutung gemeint ist. Die „Größe“ der wirtschaftlichen Bedeutung kann dabei sowohl anhand von quantitativen als auch qualitativen Gesichtspunkten gemessen werden. Die konkrete Vorgehensweise soll vom jeweiligen Sachverhalt abhängig sein. Dabei besteht letztlich die Gefahr, dass der Steuerpflichtige und die Finanzverwaltung (vor allem in Betriebsprüfungen) die Bedeutung der Personalfunktion anhand unterschiedlicher Kriterien beurteilen und dementsprechend zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Zuordnung von Vermögenswerten, Chancen und Risiken sowie von Geschäftsvorfällen gelangen. Dies ist insofern von erheblicher Bedeutung, als die Zuordnung der in den §§ 5 ff. BsGaV genannten Bestandteile eine fiktive schuldrechtliche Beziehung mit entsprechender Gewinnrealisierung nach sich zieht.

Gelingt die Zuordnung anhand der dargestellten Vorgehensweise nicht, ist eine Zuordnung vorzunehmen, die der beschriebenen Vorgehensweise nicht widerspricht. In diesen verbleibenden Fällen hat der Steuerpflichtige letztlich einen erheblichen Ermessensspielraum.

Besonderheiten bei immateriellen Werten: § 6 Abs. 4 BsGaV lässt – im Gegensatz zur Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern – auch eine anteilige Zuordnung von immateriellen Werten zu verschiedenen Betriebsstätten zu. Eine anteilige Zuordnung soll immer dann infrage kommen, wenn ein immaterieller Wert nicht eindeutig zugeordnet werden kann und in mehreren Betriebsstätten auf Dauer die Personalfunktionen mit der größten Bedeutung für den immateriellen Wert ausgeübt werden. Damit gibt die Finanzverwaltung ihre bisher vertretene Auffassung, dass Wirtschaftsgüter entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden müssen, zumindest hinsichtlich immaterieller Wirtschaftsgüter auf.

Beispiel: Die in Deutschland ansässige Autoglas-GmbH produziert Windschutzscheiben. Im Ausland unterhält sie eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 OECD-MA. Um die Stoßfestigkeit der produzierten Scheiben zu verbessern, soll ein neues Fertigungsverfahren entwickelt werden. Die Entwicklung dieses Verfahrens soll durch erfahrene Mitarbeiter der F&E-Abteilung erfolgen, die in der ausländischen Betriebsstätte als auch bei der Autoglas-GmbH selbst angesiedelt sind. Die Gesamtverantwortung für die F&E liegt bei dem deutschen Geschäftsführer der Autoglas-GmbH. Das Patent wird nach seiner Entwicklung sowohl vom deutschen Stammhaus als auch der ausländischen Produktionsbetriebsstätte genutzt.

Lösung: Das Fertigungsverfahren wird durch die Autoglas-GmbH sowie durch die ausländische Betriebsstätte der Autoglas-GmbH entwickelt und auch genutzt. Damit sollte ein Fall des § 6 Abs. 4 BsGaV vorliegen und das Patent anteilig dem Stammhaus sowie der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Das Stammhaus und die Betriebsstätte bilden durch die Forschung eine (fiktive) Innengesellschaft (Forschungspool). Die Aufwendungen, die im Rahmen der F&E anfallen, sind anhand eines Schlüssels, der sich nach dem Nutzen der Poolmitglieder bestimmt, aufzuteilen. Allerdings könnte auch argumentiert werden, dass die im Hinblick auf die Entwicklung des Patents maßgeblichen Entscheidungen durch den Geschäftsführer der Autoglas-GmbH in Deutschland getroffen werden und infolgedessen das Patent dem deutschen Stammhaus zuzuordnen ist.

Offen bleibt, anhand welcher Kriterien eine anteilige Zuordnung erfolgen soll. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn sich aufgrund einer Veränderung der Nutzungsverhältnisse während eines Wirtschaftsjahrs der „Schlüssel“ für die Zuordnung des immateriellen Werts zum Stammhaus und der Betriebsstätte verändert. Kommt es dann zu anteiligen Entstrickungen? Vor diesem Hintergrund scheint die anteilige Zuordnung von immateriellen Werten sehr unpraktikabel zu sein.

Diese Fälle scheinen sich besser regeln zu lassen, wenn von einer vollen Zuordnung des immateriellen Werts zum Stammhaus oder der Betriebsstätte auszugehen ist und dann eine anteilige Nutzungsüberlassung erfolgt. Die Problematik wird z.B. deutlich, wenn im vorstehenden Beispielsfall das Patent neben der Nutzung im deutschen Stammhaus und in der ausländischen Betriebsstätte auch an fremde Dritte lizenziert wird. Die Erträge aus der Lizenzierung müssen dann auf das Stammhaus und die Betriebsstätte aufgeteilt werden.

Ändert sich die ursprüngliche Zuordnung eines Vermögenswerts, folgt daraus eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG (d.h. eine fiktive Veräußerung).52 Dies ist bspw. bei einem materiellen Wirtschaftsgut dann der Fall, wenn dieses auf Dauer in einer anderen Betriebsstätte genutzt wird. Ab dem Zeitpunkt der örtlichen Nutzungsänderung ist das materielle Wirtschaftsgut der anderen Betriebsstätte zuzuordnen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BsGaV).

Beispiel: Die Windkraftanlagen GmbH, die in Köln ansässig ist, hat den Auftrag erhalten, in den Niederlanden Windkraftanlagen zu errichten. Die notwendigen Arbeiten übernehmen vorwiegend lokal beauftragte Subunternehmer, die über einen Zeitraum von voraussichtlich 1,5 Jahren in den Niederlanden tätig sein werden. Für die Bauüberwachung und Montage entsendet die Windkraftanlagen GmbH zwölf eigene Mitarbeiter in die Niederlande. Für die Bau- und Montagetätigkeiten in den Niederlanden werden Kräne, Maschinen und Werkzeuge von Köln auf die Baustelle in den Niederlanden gebracht.

Lösung: Grundsätzlich sind nach § 5 Abs. 1 BsGaV materielle Wirtschaftsgüter nach der Nutzung als maßgebliche Personalfunktion zuzuordnen. Dies würde vorliegend – eine Nutzung auf Dauer unterstellt – zu einer Überführung der Wirtschaftsgüter in die niederländische Betriebsstätte (Bau- und Montagebetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA) führen.

Fraglich bleibt, wann eine Nutzungsänderung „auf Dauer“ vorliegt. Hierzu wird weder in der BsGaV noch in der Begründung zur BsGaV eine Aussage getroffen. Nahe liegend ist es, auf eine fiktive Änderung des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen. Dementsprechend kann nur eine einzelfallbezogene, aus den tatsächlichen Verhältnissen der Überlassung der materiellen Wirtschaftsgüter abgeleitete Entscheidung darüber getroffen werden, ob eine Übertragung oder eine Nutzungsüberlassung anzunehmen ist.

Anhaltspunkte für die Unterscheidung zwischen Nutzungsüberlassung und Übertragung können aus der Rechtsprechung zwischen juristisch selbständigen Personen abgeleitet werden. Maßgebliches Differenzierungskriterium ist in diesen Fällen ebenfalls die Dauer der Nutzungsüberlassung. Danach ist eine Übertragung insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der wirtschaftliche Wert des Wirtschaftsguts während der Dauer der Nutzung erschöpft.

Damit sollten vor allem das temporäre Moment sowie die Ausschließlichkeit der Nutzungsüberlassung als Unterscheidungskriterien zwischen Nutzungsüberlassung und Übertragung herangezogen werden. Letztlich spricht eine langfristige sowie ausschließliche Nutzung eines Vermögenswerts in einer Betriebsstätte für eine Übertragung, wobei auch unter fremden Dritten Miet- oder Pachtverträge mit sehr langen Laufzeiten abgeschlossen werden. Ist dagegen nur eine vorübergehende Nutzung in einer Betriebsstätte vorgesehen, spricht dies für eine Nutzungsüberlassung. Eine vorübergehende Nutzung sollte auch angenommen werden, wenn es noch nicht abzusehen ist, wie lange ein Wirtschaftsgut in einer Betriebsstätte zum Einsatz kommt. Eine Nutzungsüberlassung ist jedoch dann auszuschließen, wenn die Personalfunktion, die für die Zuordnung des Vermögenswerts maßgeblich ist, in der überlassenden bzw. dann übertragenden Betriebsstätte nicht mehr ausgeübt wird.

Eine Zuordnungsänderung und damit eine fiktive Veräußerung kommt auch in Betracht, wenn sich die für die Zuordnung maßgebliche Personalfunktion ändert. Dazu muss bspw. bei immateriellen Werten gem. § 6 Abs. 2 BsGaV eine andere Personalfunktion als die Schaffung oder der Erwerb eindeutig überwiegen. Dies könnte bspw. der Fall sein, wenn ein immaterieller Wert im Anschluss an die Schaffung oder dessen Erwerb ausschließlich von einer anderen Betriebsstätte genutzt wird.

In diesem Fall überwiegt die Bedeutung der Personalfunktion „Nutzung“ gegenüber der Personalfunktion „Schaffung“ bzw. „Erwerb“, und es kommt zu einer fiktiven Veräußerung. Die Verordnungsbegründung führt aus, dass die Verwaltung alleine keine maßgebliche Personalfunktion sein kann. Damit kommt es nicht zu einer Zuordnungsänderung, wenn der immaterielle Wert von einer Betriebsstätte entwickelt wurde und im Anschluss die Rechte aus dem immateriellen Wert vom Stammhaus verwaltet werden.

Beispiel: Die in Deutschland ansässige Autoglas-GmbH produziert Windschutzscheiben. Im Ausland unterhält sie eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 OECD-MA. Um die Stoßfestigkeit der produzierten Scheiben zu verbessern, soll ein neues Fertigungsverfahren entwickelt werden. Die Entwicklung dieses Verfahrens erfolgt ausschließlich von Mitarbeitern der F&E-Abteilung, die vollständig in der ausländischen Betriebsstätte angesiedelt sind. Die Patentabteilung ist bei der Autoglas-GmbH in Deutschland angesiedelt. Diese kümmert sich um die Registrierung und die Verwaltung des Patents.

Lösung: Im vorliegenden Fall ist gem. § 6 Abs. 1 BsGaV das Patent der ausländischen Betriebsstätte der Autoglas-GmbH zuzuordnen. Die Registrierung und die Verwaltung des Patents durch die Autoglas-GmbH alleine führen im Regelfall nicht zu dessen Übertragung. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass die Registrierung und Verwaltung durch die Autoglas-GmbH zu einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung führen und ein fiktives Entgelt für die von der Autoglas-GmbH erbrachten Dienstleistungen zu verrechnen ist.

Es stellt sich die Frage des Verhältnisses des § 1 Abs. 5 AStG zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG , § 12 Abs. 1 KStG und § 16 Abs. 3a EStG ; diese Vorschriften stehen unabhängig neben § 1 Abs. 5 AStG . Daran ändert auch der Verweis des § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG auf § 4g EStG nichts.Damit ergibt sich hinsichtlich der Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG Folgendes: Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG gilt seine Anwendung „unbeschadet anderer Vorschriften“.

Dies hat zur Folge, dass der Anwendung der Vorschrift diese Entstrickungsvorschriften vorgehen. Rechtsgrundlage für die Entstrickung stiller Reserven bei der Überführung eines Wirtschaftsguts von einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte sind damit zunächst – ihre Anwendbarkeit vorausgesetzt – die allgemeinen Entstrickungsregelungen. Erfolgt damit eine Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG , § 12 Abs. 1 KStG oder § 16 Abs. 3a EStG , ist § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG nicht mehr anwendbar. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG (bzw. § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG ) sind allerdings (außerbilanzielle) Einkünftekorrekturen neben den Rechtsfolgen der Entstrickungsvorschriften durchzuführen, wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. § 1 AStG zu weiter gehenden Berichtigungen führt.

Dieser Fall kann z.B. bei Funktionsverlagerungen eintreten, welche im Sinne der Besteuerung eines Transferpakets von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG nicht erfasst werden. Ein anderer Fall kann sich ergeben, wenn die speziellen Bestimmungen des § 1 Abs. 1 und 3 AStG eine vom gemeinen Wert abweichende Verrechnungspreisermittlung anordnen (z.B. „Hellseher“-Regelung gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG  a.F.).

Nicht klar ist auch die Frage der Kriterien der Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Es ist nicht sichergestellt, dass die Zuordnung eines Vermögenswerts nach den Vorgaben des § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. den §§ 5–8 BsGaV nicht zu einem anderen Ergebnis führt, als dies durch die Entstrickungsregeln des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG der Fall ist. Daraus resultiert die Gefahr einer doppelten Besteuerung der stillen Reserven.

Allerdings vertritt die Finanzverwaltung im neuen BMF-Schreiben zu Personengesellschaften v. 26.9.2014 die Auffassung, dass „im Grundsatz“ die Vorschriften des § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. §§ 5–8 BsGaV mit der Zuordnung nach einem funktionalen Zusammenhang übereinstimmen. Damit sollten die Zuordnungsgrundsätze der Entstrickungsnormen (Veranlassungsprinzip) und der BsGaV (Personalfunktionen) – zumindest aus Sicht der Finanzverwaltung – nicht zu unterschiedlichen Zuordnungsentscheidungen führen. Dies kann man indessen auch anders sehen.

Nicht klar ist auch die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Steuerverstrickung im Inland führt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts einer Einlage gleich. Auch im Falle der fiktiven Einlage i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG kann es zu Differenzen hinsichtlich der Zuordnung von Vermögenswerten im Vergleich zu § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. §§ 5–8 BsGaV kommen, mit dem Ergebnis, dass Vermögenswerte sowohl dem inländischen Stammhaus als auch der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind.

Abrechnung anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen

Die Abrechnung von Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte folgt aus der Zielsetzung einer rechtsformneutralen Einkünfteabgrenzung; sie ist der „Kern“ des AOA. Ohne die Abrechnung innerbetrieblicher Leistungen würde dem leistungserbringenden Unternehmensteil ein zu geringer und dem leistungsempfangenden Unternehmensteil ein zu hoher Gewinnanteil zu geordnet werden.

Nach § 16 BsGaV liegen anzunehmende schuldrechtliche Vereinbarungen vor, „wenn wirtschaftliche Vorgänge festgestellt werden,

  1. die im Verhältnis zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen eine Änderung der Zuordnung nach den §§ 5–11 BsGaV erforderlich machen oder
  2. die, wären die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen voneinander unabhängige Unternehmen, durch schuldrechtliche Vereinbarungen geregelt würden oder zur Geltendmachung von Rechtspositionen führen würden.“

Typischer Anwendungsfall einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung ist damit einerseits die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte, wobei der entsprechende Vermögenswert zunächst dem inländischen Stammhaus und dann der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Diesen unter dem Begriff der „Steuerentstrickung“ üblicherweise benannten unternehmensinternen, fiktiven Lieferbeziehungen ist dann ein Fremdvergleichswert zugrunde zu legen, so dass es im Ergebnis zu einer Realisierung der stillen Reserven kommt.68 Andererseits kann sich eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung auf die Nutzungsüberlassung von Vermögenswerten (im Sinne einer fiktiven Lizenzierung oder Verpachtung) sowie auf die Erbringung von Dienstleistungen beziehen.

Insofern besteht ein wesentlicher Unterschied zur bisherigen Betriebsstättengewinnermittlung auf Basis des Veranlassungsprinzips, wonach für das Unternehmen realisierte Aufwendungen und Erträge zuzuordnen waren. Denn für die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen sind gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG und § 16 Abs. 1 Nr. 2 BsGaV fiktive Betriebseinnahmen bzw. fiktive Betriebsausgaben anzusetzen. Für die Höhe dieser Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben sind gem. § 16 Abs. 2 BsGaV Verrechnungspreise zu bestimmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Dabei sind die Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG zu beachten, wonach der Verrechnungspreis in erster Linie nach der Preisvergleichs-, der Wiederverkaufspreis- oder der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen ist. Sekundär zu einem tatsächlichen Fremdvergleich kann im Übrigen ein hypothetischer Fremdvergleich zur Anwendung kommen.

Die Verordnungsbegründung stellt klar, dass auch wirtschaftliche Vorgänge bei der Eröffnung einer Betriebsstätte oder bei deren Beendigung anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen darstellen. So ist nach den Vorgaben der BsGaV davon auszugehen, dass die Zuordnung von (Gründungs-)Aufwendungen zur Betriebsstätte nach dem Veranlassungsprinzip71 durch die Verrechnung entsprechender (Gründungs-)Dienstleistungen ersetzt wird.72 Die Abrechnung entsprechender Leistungen setzt dabei eine ausländische Betriebsstätte als fiktiven Vertragspartner voraus. Die Zuordnung von Gründungskosten bei gescheiterten Betriebsstättengründungen sollte daher nicht mehr möglich sein.

Im Übrigen liegen grundsätzlich keine anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen gem. § 16 Abs. 3 BsGaV in Fällen der Nutzung von finanziellen Mitteln des übrigen Unternehmens vor. Allerdings gibt es zwei Ausnahmefälle:

  1. Liegt eine Finanzierungsbetriebsstätte gem. § 17 Abs. 1 BsGaV vor, führt diese Dienstleistungen gegenüber den anderen Betriebsstätten des Unternehmens aus, ohne dass fiktive Darlehensbeziehungen begründet werden.
  2. Nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BsGaV liegt eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung vor, wenn „auf Grund der Geschäftstätigkeit einer Betriebsstätte im laufenden Wirtschaftsjahr finanzielle Mittel entstehen, die nachweislich für bestimmte Zwecke im übrigen Unternehmen genutzt werden“ (sog. „kurzfristige Darlehensbeziehungen“).

Im Ergebnis ist die Darlehensgewährung des Stammhauses an die Betriebsstätte grundsätzlich ausgeschlossen. Der Betriebsstätte können nur Finanzierungsaufwendungen zugerechnet werden, die mit Passivposten zusammenhängen, die ihr direkt zuzuordnen sind. Nur kurzfristige Darlehensgewährungen durch die Betriebsstätte sollen möglich sein.

Die Abrechnung von Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte folgt aus der Zielsetzung einer rechtsformneutralen Einkünfteabgrenzung; sie ist der „Kern“ des AOA. Ohne die Abrechnung innerbetrieblicher Leistungen würde dem leistungserbringenden Unternehmensteil ein zu geringer und dem leistungsempfangenden Unternehmensteil ein zu hoher Gewinnanteil zu geordnet werden.

Nach § 16 BsGaV liegen anzunehmende schuldrechtliche Vereinbarungen vor, „wenn wirtschaftliche Vorgänge festgestellt werden,

  1. die im Verhältnis zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen eine Änderung der Zuordnung nach den §§ 5–11 BsGaV erforderlich machen oder
  2. die, wären die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen voneinander unabhängige Unternehmen, durch schuldrechtliche Vereinbarungen geregelt würden oder zur Geltendmachung von Rechtspositionen führen würden.“

Typischer Anwendungsfall einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung ist damit einerseits die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte, wobei der entsprechende Vermögenswert zunächst dem inländischen Stammhaus und dann der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Diesen unter dem Begriff der „Steuerentstrickung“ üblicherweise benannten unternehmensinternen, fiktiven Lieferbeziehungen ist dann ein Fremdvergleichswert zugrunde zu legen, so dass es im Ergebnis zu einer Realisierung der stillen Reserven kommt. Andererseits kann sich eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung auf die Nutzungsüberlassung von Vermögenswerten (im Sinne einer fiktiven Lizenzierung oder Verpachtung) sowie auf die Erbringung von Dienstleistungen beziehen. Insofern besteht ein wesentlicher Unterschied zur bisherigen Betriebsstättengewinnermittlung auf Basis des Veranlassungsprinzips, wonach für das Unternehmen realisierte Aufwendungen und Erträge zuzuordnen waren. Denn für die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen sind gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG und § 16 Abs. 1 Nr. 2 BsGaV fiktive Betriebseinnahmen bzw. fiktive Betriebsausgaben anzusetzen. Für die Höhe dieser Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben sind gem. § 16 Abs. 2 BsGaV Verrechnungspreise zu bestimmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Dabei sind die Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG zu beachten, wonach der Verrechnungspreis in erster Linie nach der Preisvergleichs-, der Wiederverkaufspreis- oder der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen ist. Sekundär zu einem tatsächlichen Fremdvergleich kann im Übrigen ein hypothetischer Fremdvergleich zur Anwendung kommen.

Die Verordnungsbegründung stellt klar, dass auch wirtschaftliche Vorgänge bei der Eröffnung einer Betriebsstätte oder bei deren Beendigung anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen darstellen. So ist nach den Vorgaben der BsGaV davon auszugehen, dass die Zuordnung von (Gründungs-)Aufwendungen zur Betriebsstätte nach dem Veranlassungsprinzip durch die Verrechnung entsprechender (Gründungs-)Dienstleistungen ersetzt wird. Die Abrechnung entsprechender Leistungen setzt dabei eine ausländische Betriebsstätte als fiktiven Vertragspartner voraus. Die Zuordnung von Gründungskosten bei gescheiterten Betriebsstättengründungen sollte daher nicht mehr möglich sein.

Im Übrigen liegen grundsätzlich keine anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen gem. § 16 Abs. 3 BsGaV in Fällen der Nutzung von finanziellen Mitteln des übrigen Unternehmens vor. Allerdings gibt es zwei Ausnahmefälle:

  1. Liegt eine Finanzierungsbetriebsstätte gem. § 17 Abs. 1 BsGaV vor, führt diese Dienstleistungen gegenüber den anderen Betriebsstätten des Unternehmens aus, ohne dass fiktive Darlehensbeziehungen begründet werden.
  2. Nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BsGaV liegt eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung vor, wenn „auf Grund der Geschäftstätigkeit einer Betriebsstätte im laufenden Wirtschaftsjahr finanzielle Mittel entstehen, die nachweislich für bestimmte Zwecke im übrigen Unternehmen genutzt werden“ (sog. „kurzfristige Darlehensbeziehungen“).

Im Ergebnis ist die Darlehensgewährung des Stammhauses an die Betriebsstätte grundsätzlich ausgeschlossen. Der Betriebsstätte können nur Finanzierungsaufwendungen zugerechnet werden, die mit Passivposten zusammenhängen, die ihr direkt zuzuordnen sind. Nur kurzfristige Darlehensgewährungen durch die Betriebsstätte sollen möglich sein.

Weder § 1 Abs. 5 AStG noch die BsGaV differenzieren hinsichtlich der Anwendung des AOA zwischen Alt-DBA, die Art. 7 OECD-MA 2008 folgen, und Neu-DBA, die den AOA i.S.d. Art. 7 OECD-MA 2010 umsetzen. Insofern kann es zur Doppelbesteuerung kommen, wenn der andere Vertragsstaat – nicht zuletzt aufgrund des Alt-DBAs – die Anwendung des AOA nicht anerkennt, diese aber in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV explizit vorgesehen ist.

Beispiel: Die in Düsseldorf ansässige Mode GmbH ist im Bereich des Handels mit Textilien tätig. Sie unterhält im EU-Ausland (insbesondere Frankreich, Niederlande, Belgien, Spanien und Italien) Boutiquen (= Betriebsstätten), in welchen die Textilien verkauft werden. Im deutschen Stammhaus der Mode GmbH sind zentrale Funktionen, wie z.B. Marketing, Werbung, Sortimentsgestaltung, Logistik, Rechnungswesen, Controlling und EDV angesiedelt. Diese Funktionen werden regelmäßig auch von den ausländischen Betriebsstätten genutzt.

Lösung: Die Mode GmbH hat nach § 1 Abs. 5 AStG die an ihre im EU-Ausland ansässigen Betriebsstätten erbrachten Dienstleistungen fremdüblich abzurechnen, da insofern eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung gem. § 16 BsGaV verwirklicht wird. Für diese anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (fiktive Dienstleistungen) sind bei der Mode GmbH fiktive Betriebseinnahmen und bei den ausländischen Betriebsstätten fiktive Betriebsausgaben anzusetzen. Ob die ausländischen Finanzbehörden indessen die fiktiven Betriebsausgaben für die Dienstleistungen des deutschen Stammhauses der Mode GmbH anerkennen, ist äußerst zweifelhaft. Denn für den beschriebenen Beispielsfall ist der AOA lediglich im (neuen und derzeit noch nicht wirksamen) DBA mit den Niederlanden umgesetzt. Die DBA mit Frankreich, Belgien, Spanien und Italien basieren dagegen auf den Wortlaut des Art. 7 OECD-MA 2008.

Dieser Problematik will der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG entgegenwirken, der den Vorrang des Abkommensrechts vorsieht. Diese im Grunde selbstverständliche Norm kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, dass die maßgeblichen DBA-Regelungen § 1 Abs. 5 Sätze 1–7 AStG widersprechen, nachweist, dass der andere Staat sein Besteuerungsrecht entsprechend diesem Abkommen ausübt und es aufgrund der Anwendung des § 1 Abs. 5 Sätze 1–7 AStG zu einer Doppelbesteuerung kommt.

Derzeit ist völlig offen, wie der in § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG geforderte Nachweis der Anwendung des einschlägigen DBA und einer daraus resultierenden Doppelbesteuerung zu erbringen ist. Zudem ist auch in Zukunft nicht damit zu rechnen, dass alle OECD-Staaten den AOA umsetzen. Dies hat zur Folge, dass auch Deutschland weiterhin DBA auf Basis des Art. 7 OECD-MA 2008 abschließen und § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG auf Dauer relevant sein wird. Darauf geht die BsGaV an keiner Stelle ein. Indessen kommt der Steuerpflichtige auch in diesen Fällen nicht umhin, eine Gewinnermittlung der Betriebsstätte nach der BsGaV durchzuführen. Denn die jeweils einschlägigen DBA beschränken nur das Besteuerungsrecht Deutschlands, wirken sich jedoch nicht auf die innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften aus.

Mit § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV kommt es zu einem Paradigmenwechsel im Hinblick auf die internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten. Denn das deutsche innerstaatliche Recht enthält dazu erstmalig detaillierte Regelungen. Dies ist prinzipiell eine positive Entwicklung, zumal sie auf den aktuellen Vorgaben der OECD basiert. Allerdings ist zu kritisieren, dass der Gesetzgeber diese Regelungen nicht im EStG bzw. der AO, sondern in der Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG und einer dazu erlassenen Rechtsverordnung geregelt hat. Daraus resultieren zahlreiche Abgrenzungsprobleme und offene Fragen, die hoffentlich im erwarteten BMF-Schreiben geregelt werden.

Der Praktiker wird nunmehr konfrontiert mit einem völlig eigenständigen, nicht auf die Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 ff. EStG abgestimmten Gewinnermittlungsrecht für Betriebsstätten, das sich im Übrigen durch die Verwendung völlig neuer Begrifflichkeiten auszeichnet. Zu nennen sind hier nur Begriffe wie „Personalfunktionen“, „Vermögenswerte“ sowie „fiktive Betriebseinnahmen“ und „fiktive Betriebsausgaben“.

Naturgemäß werden diese Begrifflichkeiten – hoffentlich nur zunächst – zu Rechtsunsicherheit im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung führen. Daher handelt es sich bei der BsGaV um eine erhebliche Herausforderung für die Praxis, nicht nur aufseiten der Unternehmen und der Beraterschaft, sondern auch bei den Finanzbehörden und Betriebsprüfungen. Es bleibt nur zu hoffen, dass beide Seiten mit Augenmaß und Vernunft das neue Regelwerk anwenden, wobei vermutlich insbesondere die neuen Zuordnungsregelungen zu erheblichem „Zündstoff“ in Betriebsprüfungen führen werden.

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