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Wegzugbesteuerung | Deutsche Gesetzgebung bis 31.12.2021

Hier werden die Voraussetzungen der Anwendung des § 6 AStG ebenso dargestellt, wie die sich ergebenden Rechtsfolgen, insbesondere auch die verfahrensrechtlichen Maßnahmen, die vorgenommen werden müssen, um eine Steuerstundung eines festgestellten Entstrickungsgewinns zu erlangen. Auch wird auf die Rechtsfolgen eingegangen, wenn die Anteile an den Kapitalgesellschaften verschenkt, vererbt oder veräußert werden oder wenn der Steuerpflichtige wieder nach Deutschland zurückkehrt und bis dahin keine Verfügung über die Anteile getroffen hat. 

Der Wegzug aus Deutschland hat unmittelbare steuerliche Folgen in Deutschland. Unter einem Wegzug wird regelmäßig die Wohnsitznahme im Ausland und Verlagerung des Lebensmittelpunktes aus Deutschland heraus verstanden. Die generellen Folgen einer Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland bedeutet zukünftig nur noch eine Besteuerung mit den inländischen Einkünften im Sinne des § 49 EStG im Rahmen der sogenannten beschränkten Steuerpflicht und vollständiger unbeschränkter Steuerpflicht hinsichtlich des Welteinkommens im neuen Ansässigkeitsstaat. Ungeachtet von der Frage, ob nach dem Wegzug aus Deutschland Einkünfte aus Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, sieht das dt. Steuerrecht eine sogenannte „Exitbesteuerung“ vor, das heißt im Grundsatz werden erworbene stille Reserven im Betriebsvermögen, aber auch solche in Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 17 EStG (Beteiligungen von 1% und mehr an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften) im Zeitpunkt der Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland besteuert. 

Es wird unter bestimmten Voraussetzungen durch den Wegzug bzw. die Verlagerung des Lebensmittelpunktes der Tatbestand der sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG ausgelöst. Sie führt dazu, dass die stillen Reserven in Anteilen an Kapitalgesellschaften, an denen der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wegzug zu mindestens 1% beteiligt war, der Besteuerung unterliegen. 

Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Wegzügler um eine natürliche Person handelt, die insgesamt mindestens 10 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war. Hat der unbeschränkt Steuerpflichtige die Anteile aber durch unentgeltliches Rechtsgeschäft erworben, so sind für die Errechnung der maßgebenden Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 6 Abs. 2 AStG auch Zeiträume einzubeziehen, in denen der Rechtsvorgänger bis zur Übertragung der Anteile unbeschränkt steuerpflichtig war. 

Zudem muss die unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts enden. Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger mehrere Wohnsitze haben. Wohnsitz bedeutet nach § 8 AO das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Wohnungsinhaber diese Wohnung beibehalten und benutzen wird. Dies setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeignete Räumlichkeiten voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und als Bleibe wenn auch unregelmäßig und in größeren Zeitabständen aufsucht; auf die Nutzungsdauer pro Jahr kommt es nicht an. Das An- und Abmelden des Wohnsitzes bei der Ordnungsbehörde ist nicht maßgeblich, da es allein auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt. 

Ob der Steuerpflichtige einen weiteren Wohnsitz in Deutschland hat, und damit weiterhin (auch) in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, kann indes dahinstehen, da der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des inländischen Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthaltes gleichsteht, wenn durch die Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes in einem anderen ausländischen Staat nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Person als im Ausland ansässig anzusehen ist. 

Rechtsfolgen: Mit der Verlagerung des Lebensmittelpunktes z. B. nach Spanien und damit der Begründung der Ansässigkeit nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (wegen des dort befindlichen Lebensmittelpunktes) in Spanien, wird eine Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft unterstellt und die Differenz zwischen den zugrunde zu legenden Anschaffungskosten und einem fiktiv ermittelten Veräußerungspreis besteuert. 

Der Vermögenszuwachsgewinn iSd. § 6 Abs. 1 AStG ist zugleich ein fiktiver Veräußerungsgewinn iSd. § 17 Abs. 2 EStG. Entsprechend findet auf ihn ebenfalls ab dem Veranlagungszeitraum 2009 das Teileinkünfteverfahren nach § 30 Nr. 40 Buchst. c, § 3 c Abs. 2 EStG Anwendung.

Somit werden nur 60% des Vermögenszuwachsgewinns der Besteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz unterworfen und werden die anderen 40% von der Besteuerung freigestellt.

Für den Begriff des gemeinen Wertes ergibt sich die Legaldefinition aus § 9 Abs. 2 BewG. Danach wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Börsennotierte Anteile werden nach § 11 Abs. 1 BewG grundsätzlich mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im regulierten Markt notierten Kurs angesetzt. Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht hierunter fallen, sind hingegen nach § 11 Abs. 2 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. 

Für nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften ist nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG der gemeine Wert zunächst aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Dem liegt die Vermutung zugrunde, dass zeitnahe Verkäufe in der Vergangenheit den zutreffenden Marktwert zum Bewertungsstichtag richtig widerspiegeln. 

Lässt sich der gemeine Wert nicht aus einem zeitnahen Verkauf mit einem fremden Dritten herleiten, so ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der zu bewertenden Einheit zu ermitteln.  Nach der bis zum Veranlagungszeitraum 2006 geltenden Fassung war der gemeine Wert nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften der sich nicht aus Verkäufen ableiten ließ, unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen, § 11 Abs. 2 S. 2 BewG a.F. Als steuerlich anerkannte Methode kam regelmäßig nur das „Stuttgarter Verfahren“ in Frage. Seit dem Veranlagungszeitraum 2007 sind die Änderungen durch Artikel 8 Nr. 1 des SEStEG zu beachten. In Folge der Einführung eines Satzes 3 in § 11 Abs. 2 BewG gilt das Stuttgarter Verfahren nicht mehr für Zwecke der Ertragsteuer. Da es sich bei § 6 AStG um eine ertragsteuerliche Regelung handelt, scheidet nunmehr die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens aus.

Vielmehr sieht § 11 Abs. 2 S. 4 BewG n.F. hierfür nunmehr ein sog. vereinfachtes Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff. BewG vor. Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist für die Ermittlung des gemeinen Wertes von nicht notierten Anteilen und Kapitalgesellschaften nach § 199 Abs. 1 BewG n.F. anwendbar, wenn es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt.

Der Ertragswert eines Unternehmens ist im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens aus der Multiplikation des zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrages mit dem Kapitalisierungsfaktor zu ermitteln. Bei der Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Jahresertrages sind nach § 200 Abs. 2 bis 4 BewG nicht betriebsnotwendiges Vermögen, Beteiligungen an anderen Gesellschaften, sofern es sich um betriebsnotwendige Beteiligungen handelt und sog. junge Wirtschaftsgüter, mithin solche, die innerhalb von zwei Jahren vor dem Bewertungsstichtag eingelegt worden sind, gesondert zu bewerten und mit dem gemeinen Wert der zusätzlich zum Ertragswert im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens anzusetzen. 

Diese Ermittlung gilt auch für Immobilienkapitalgesellschaften, wobei hinsichtlich der Bewertung von inländischen Immobilien bei deutschen Kapitalgesellschaften sicherlich auch die Regelungen zur Bedarfsbewertung von Immobilien zu berücksichtigen sind.  

Der zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag, der die Grundlage für die Bewertung im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens bildet, ist aus den in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Durchschnittserträgen zu ermitteln. Diese sind grundsätzlich aus den Betriebsergebnissen der Wirtschaftsjahre herzuleiten, die in den letzten drei Jahren vor dem Bewertungsstichtag abgelaufen sind. Die Summe ist durch drei zu dividieren und ergibt sodann den Durchschnittsertrag. Das Betriebsergebnis, das den Ausgangspunkt für die Ermittlung des nachhaltig zu erzielenden Ertrages bildet, ist nach den Vorgaben des § 202 BewG zu ermitteln. Der Ausgangswert ist hierbei der Gewinn i.S. von § 4 Abs. 1 S. 1 EStG. Dieser Ausgangswert wird sodann durch bestimmte Hinzurechnungen und Abzüge korrigiert. 

Der so ermittelte nachhaltig erzielbare Jahresertrag ist mit dem Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren. Der Kapitalisierungsfaktor ist der Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes. Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich aus einem Basiszinssatz sowie einem pauschalen Zuschlag von 4,5% zusammen. Dabei ist auf den Zinssatz abzustellen, den die deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet. Dieser vom Bundesministerium für Finanzen im Bundessteuerblatt veröffentlichte Zinssatz ist für alle Wertermittlungen auf Bewertungsstichtage im jeweiligen Jahr anzuwenden. 

Neben der Ertragswertmethode kann der gemeine Wert durch eine andere anerkannte, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke übliche Methode (vergleichsorientierte Methoden, Multiplikatorenmethode, IDW S 1 etc.) ermittelt werden. Es ist dabei diejenige Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. Die Feststellungslast, ob eine derartige Methode anstelle der Ertragswertmethode anwendbar ist, trägt derjenige, der sich auf diese Methode beruft.

Unabhängig davon, welche Methode der Bewertung des Betriebsvermögens zugrunde gelegt wird, darf der Substanzwert als Mindestwert nicht unterschritten werden. Nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG ist der Substanzwert die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstige Abzüge. 

Die nach Maßgabe des § 6 AStG entstehende Steuer kann gestundet werden. Hinsichtlich der Stundungsregelungen ist zu unterscheiden: Während in § 6 Abs. 5 AStG der privilegierte Wegzug bzw. Übertragungen mit EU/EWR-Bezug geregelt ist, enthält § 6 Abs. 4 AStG eine allgemeine Stundungsregelung auf Antrag.

§ 6 AStG enthält in Abs. 5 eine Stundungsregelung, die mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2007 eingeführt worden ist. Sie regelt die Stundung von Amts wegen für die auf die stillen Reserven durch den Wegzug ausgelöste Steuerschuld, ohne dass es hierfür einer Sicherheitsleistung bedarf oder Zinsen geschuldet werden im Fall des Wegzugs in einen EU/EWR-Staat. Auf diese Weise wird verhindert, dass die Freizügigkeit innerhalb der EU-/EWR-Staaten durch Steuerzahlungslasten wirtschaftlich eingeschränkt wird. Die Stundung ist nicht an den Nachweis einer besonderen Härte der Steuereinziehung gebunden. Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Steuerpflichtigen um einen Staatsangehörigen eines EU/EWR-Staates handelt, der nach der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im Zuzugsstaat, einer der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt und der ausländische Staat Deutschland Beitreibungshilfe der geschuldeten Steuer leistet. 

Ist der Steuerpflichtige aus Deutschland weggezogen, können spätere Handlungen oder Ereignisse seine Situation hinsichtlich der Wegzugsteuer nachhaltig beeinflussen. Das betrifft zum einen alle Ereignisse, die zu einem Widerruf der Stundung führen. Zum anderen ist damit eine spätere Rückkehr angesprochen, wodurch die Wegzugsteuer entfallen kann.

Die allgemeine Antragsstundung nach § 6 Abs. 4 S. 1 AStG (s. …) aber auch die Stundung von Amts wegen nach § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 1 AStG (s. …) sind zu widerrufen, soweit die Anteile während des Stundungszeitraums veräußert werden. In dem Fall entfällt der sachliche Grund für eine Stundung. Einerseits fließen dem Steuerpflichtigen Mittel zur Begleichung der Steuerschuld zu, andererseits wäre er bei einem Verbleib im Inland nach § 17 EStG ebenfalls zu einer Steuer herangezogen worden. Folgerichtig knüpft das Gesetz somit den Widerruf der Stundung an alle Ereignisse, die nach § 17 einer Veräußerung gleichstehen, mithin auch die verdeckte Einlage der Anteile oder die Verwirklichung einer der Tatbestände des § 17 Abs. 4 EStG (Auflösung der Kapitalgesellschaft, Kapitalherabsetzung, Kapitalrückzahlung und Ausschüttungen/Rückzahlungen aus dem steuerlichen Einlagenkonto). 

Die Stundung von Amts wegen ist ferner dann zu widerrufen, wenn der EU-/EWR Bezug verloren geht, weil entweder die der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbare Steuerpflicht endet oder die Anteile auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person übergehen, die einer solchen Steuerpflicht nicht unterliegt, vgl. § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 4 und 2 AStG. Der nachträgliche Verlust der EU-/EWR-Staatsangehörigkeit durch den Steuerpflichtigen ist hingegen kein Widerrufsgrund. 

Schließlich kann die Stundung von Amts wegen auch dann widerrufen werden, wenn der Steuerpflichtige es unterlässt, jedes Jahr bis zum 31.01. dem für ihn ursprünglich zuständigen Finanzamt seine Anschrift sowie den Umstand mitzuteilen, dass ihm bzw. seinem Rechtsnachfolger die Anteile weiterhin zuzurechnen sind, § 6 Abs. 7 S. 5 AStG. Nach der Gesetzesformulierung steht der Finanzverwaltung hier jedoch ein Ermessen zu. Ferner ist der Steuerpflichtige verpflichtet, Ereignisse, die zu einem Widerruf der Stundung führen können, innerhalb eines Monats dem ursprünglich für ihn zuständigen Finanzamt mitzuteilen, § 6 Abs. 7 S. 1 und 2 AStG.

Beruht die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf vorübergehende Abwesenheit und wird der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig, so entfällt der Steueranspruch nach § 6 Abs. 1 AStG, soweit die Anteile in der Zwischenzeit nicht veräußert und die Tatbestände des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder 3 AStG nicht erfüllt worden sind und der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als in einem ausländischen Staat ansässig gilt, vgl. § 6 Abs. 3 S. 1 AStG. Hinter dieser Regelung steht die Erwägung, dass der Grund für die ursprüngliche Steuerfestsetzung wegfällt, sobald die entstrickten Anteile wieder ungeschmälert der deutschen Steuerhoheit unterliegen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist die beim Wegzug festgesetzte Wegzugsteuer aufzuheben. Ggf. kann das zuständige Finanzamt die Frist nach § 6 Abs. 3 S. 2 AStG um weitere 5 Jahre verlängern, wenn berufliche Gründe für die Abwesenheit des Steuerpflichtigen glaubhaft gemacht werden.

Ist der Steueranspruch nach § 6 Abs. 5 gestundet, gilt § 6 Abs. 3 S. 1 ohne die darin enthaltene zeitliche Begrenzung entsprechend, wenn (1. Alt.) der Steuerpflichtige oder ggf. sein Rechtsnachfolger unbeschränkt steuerpflichtig werden, oder (2. Alt.) das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile aufgrund eines anderen Ereignisses begründet wird oder nicht mehr beschränkt ist. Gegenüber der allgemeinen Rückkehrregelung entfällt bei EU-/EWR-Sachverhalten, die einen Anspruch auf Stundung von Amts wegen begründen, die zeitliche Begrenzung auf 5 bzw. 10 Jahre. Allerdings sind die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG offenbar darüber hinaus ebenfalls zu erfüllen („gilt entsprechend“). Danach müsste über die Formulierung des § 6 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 AStG hinaus auch die abkommensrechtliche Ansässigkeit des Steuerpflichtigen (oder des Rechtsnachfolgers) Voraussetzung für den Wegfall des Steueranspruchs sein. Dies betrifft auch die Rückkehrabsicht. Als subjektives Moment gehört sie nicht zu den „zeitlichen Beschränkungen“. 

Sofern die Kinder / Rechtsnachfolger aus einem EU-/EWR-Staat wieder zuziehen, entfällt der gestundete Wegzugssteueranspruch (rückwirkend), wenn dadurch wieder die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland begründet wird. Grundsätzlich besteht keine zeitliche Beschränkung für den Zuzug nach Deutschland, jedoch müsste hierfür – jedenfalls bei mehr als 5-jähriger Abwesenheit – uU wohl die bei Wegzug bestehende Rückkehrabsicht glaubhaft gemacht werden können. 

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass bei der Rückkehr auch die ausländische Rechtslage zu beachten ist. Möglicherweise sieht der ausländische Wegzugsstaat eine der deutschen Wegzugsbesteuerung ähnliche Besteuerung vor. 

Gem. § 6 Abs. 7 AStG hat der Steuerpflichtige oder sein Gesamtrechtsnachfolger dem zuständigen Finanzamt gem. § 19 AO nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck die Verwirklichung einer, die Stundung widersprechenden Tatbestände des § 6 Abs. 5 S. 4 mitzuteilen. Die Mitteilung ist innerhalb eines Monats nach dem meldepflichtigen Ereignis zu erstatten und ist vom Steuerpflichtigen eigenhändig zu unterschreiben. Wenngleich der Steuerpflichtige als Verpflichteter benannt wird, trifft die Mitteilungspflicht auch den Gesamtrechtsnachfolger. Gegebenenfalls müssen gem. § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 1 und 2 AStG schriftliche Nachweise über das Rechtsgeschäft beigefügt werden. Gem. § 6 Abs. 7 S. 4 AStG ist die Erklärung bis zum Ablauf des 31. Januar schriftlich über den Status zum 31. Dezember des vorangegangenen Jahren zu erbringen. Die Erklärung beinhaltet auch die Bestätigung der Anteilszurechnung zu dieser Person.  

Die Rechtsfolgen der Wegzugsbesteuerung können auch durch Änderungen eines Doppelbesteuerungsabkommens eintreten, somit in Situationen, in denen der Steuerpflichtige selbst keinerlei Aktivitäten unternimmt. Aktuelle Beispiele hierfür sind die Änderungen der DBA mit Luxemburg, Spanien und den Niederlanden in Bezug auf Immobilienkapitalgesellschaften. Insbesondere insoweit besteht aktueller Handlungsbedarf. 

Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung der Wegzugsbesteuerung sind durch die Einführung des § 50i EStG sowie der geänderten BFH-Rechtsprechung deutlich erschwert worden und bedürfen einer sorgfältigen Prüfung. 

Ein Wegzug löst im Hinblick auf die Beteiligungen an Kapitalgesellschaften grundsätzlich eine sog. Wegzugsbesteuerung – auch „Vermögenszuwachsbesteuerung“ oder „exit taxation“ genannt – der in den Anteilen ruhenden stillen Reserven nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) aus.  Hierbei wird eine fiktive Veräußerung der Anteile zum gemeinen Wert (entspricht Verkehrswert) angenommen. Der sich so ergebender Gewinn unterliegt der deutschen Einkommensteuer nach dem Teileinkünfteverfahren (ungefähre Steuerbelastung ca. 27%).

Es besteht jedoch die Möglichkeit einer Stundung der vorgenannten Steuern und bei späterer Rückkehr nach Deutschland möglicherweise deren rückwirkendem Entfallen. So wird die Steuer von Amts wegen gestundet, wenn wie vorliegend Steuerpflichtige mit EU-/EWR-Staatsbürgerschaft in einen EU-/EWR-Staat wegziehen.

Die Stundung würde widerrufen, soweit nach Wegzug die Anteile an der Kapitalgesellschaft veräußert würden. kann das ursprünglich zuständige Finanzamt die Stundung aber insbesondere auch dann widerrufen, wenn der Steuerpflichtige nicht jedes Jahr bis zum 31.1. diesem seine Anschrift mitteilt und den Umstand, dass ihm die Anteile weiterhin zuzurechnen sind. 

Andererseits würde die einmal entstandene Wegzugsteuer rückwirkend entfallen, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von 5 Jahren nach Deutschland zurückkehrt, ohne dass zwischenzeitlich die Anteile an der Kapitalgesellschaft veräußert werden oder ein Ersatztatbestand erfüllt wird. Bei einer Rückkehr aus dem EU-/EWR-Ausland und dadurch wieder begründeter unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland besteht keine zeitliche Begrenzung für den Zuzug nach Deutschland; jedoch müsste – jedenfalls bei mehr als 5-jähriger Abwesenheit – wohl die bei Wegzug bestehende Rückkehrabsicht glaubhaft gemacht werden.

Schließlich ist in Anbetracht einer möglichen Rückkehr grundsätzlich auch die ausländische Rechtslage zu beachten, welche möglicherweise eine der deutschen Wegzugsbesteuerung ähnliche Besteuerung vorsieht. 

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